Nawid Mehravar:
Die Komala-Partei Kurdistans (Kurdisch: کۆمەڵەی زەحمەتکێشانی کوردستان) ist als politische Organisation gegründet worden, um den Forderungen des Volkes in Ostkurdistan gerecht zu werden. Sie benötigt in dieser Phase eine vertiefte Selbstdefinition. Vor dem 14. Parteikongress eröffnet sich eine bedeutende Gelegenheit, Vorbereitungen zu treffen, Klarheit zu schaffen und die Haltung der Komala-Partei Kurdistans zu den grundlegenden Fragen – nämlich zur nationalen Frage, zur Frauenfrage und zur Klassenfrage – zu formulieren. Es ist die Pflicht aller Mitglieder der Komala-Partei Kurdistans, sich mit diesen Themen eingehend auseinanderzusetzen, sodass nicht nur Mitglieder, sondern auch politische Freunde, Aktivist:innen, Intellektuelle und die Unterstützer:innen des kurdischen Volkes an dieser Debatte teilhaben und gemeinsam mit uns auf eine umfassende Lösung der kurdischen Frage als unterdrücktes Volk hinarbeiten können.
Seit ihrer Beteiligung an der kurdischen Bewegung und ihrer Identifikation mit dem Volk hat die Komala-Partei Kurdistans in diesen drei Bereichen eine bedeutende Rolle gespielt. Trotz aller Höhen und Tiefen ist die Partei in der Gesellschaft nach wie vor ein Hoffnungsträger und ein klares Symbol, das das kurdische Volk zu einem friedlichen und menschenwürdigen Leben führt.
Die Komala hat sich aktiv an der kurdischen Revolution beteiligt und das kurdische Volk bei der Durchsetzung seiner Rechte angeführt. Ihr humanistischer Ansatz hat wesentlich dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Aufstand zu lenken und die durch Feinde und Machthaber gestreuten Anschuldigungen und Vorurteile zu entkräften.
Als die Komala die Frauenfrage in Kurdistan aufwarf, stieß sie auf heftigen Widerstand von Feinden und Traditionalist:innen, die mit allen verfügbaren Mitteln versuchten, das Tabu aufrechtzuerhalten und die männliche Vorherrschaft zu bewahren. Bedauerlicherweise versuchten auch Teile der kurdischen Bewegung, Komala zu marginalisieren. Doch weder die Feindschaft der Besatzer und iranischen Propagandisten, noch innerparteiliche Einschränkungen konnten die Frauenbewegung in Kurdistan stoppen. Trotz des ideologischen Systems, das Bildung, Medien, Moscheen und sämtliche Ressourcen einsetzt, um Frauenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu legitimieren, konnte die Vorstellung von Frauenfreiheit – als Teil der gesellschaftlichen Befreiung – Fuß fassen. Die aktive Rolle der freiheitsliebenden Frauen war dabei entscheidend. Der Diskurs ist mittlerweile nicht mehr Eigentum einer einzigen Kraft, sondern wird von der kurdischen Bewegung insgesamt getragen.
Die Wiederherstellung von Würde für Arbeiter:innen und Werktätige, die ihre Kraft und ihr Leben für ein Stück Brot verkaufen, ist ein Grundpfeiler des Stolzes der Komala-Partei Kurdistans. Die Gründung von Arbeiter:innenräten, Gewerkschaften, Bauernvereinigungen und das Stärken des Selbstbewusstseins der kurdischen Arbeiter:innen hat dazu beigetragen, die kapitalistische Gewinnorientierung zu erkennen und sich gegen die Ausbeutung durch traditionelle Landbesitzer und Unternehmer zur Wehr zu setzen.
Die Beteiligung der Komala an sozialen und revolutionären Prozessen in Kurdistan ist historisch bedeutsam. Dies zeigte sich besonders in der Jin, Jiyan, Azadî (Frau, Leben, Freiheit) Bewegung. Doch diese Vergangenheit allein reicht nicht mehr. Die heutige kurdische Bevölkerung ist politisch gereift und in der Lage, ihre Errungenschaften zu verteidigen. Daher muss die Komala-Partei Kurdistans in diesem Kongress ihre Vision für eine neue Phase klar darlegen und sich als moderne Kraft für die heutige Gesellschaft präsentieren.
Die nationale Frage
Solange das Schicksal Kurdistans nicht durch ein allgemeines Referendum geklärt ist, in dem das kurdische Volk über seine politische Zukunft entscheidet, darf die Komala-Partei Kurdistans keine Kooperation mit Kräften außerhalb Kurdistans ausschließen, die den Sturz der Islamischen Republik anstreben. Nach dem Fall dieses Regimes darf keine Entscheidung über Kurdistans Zukunft ohne den ausdrücklichen Willen des kurdischen Volkes getroffen werden. Wir müssen unsere Haltung und Strategie klar benennen und innerhalb unserer politischen, gesellschaftlichen und materiellen Möglichkeiten auf die Erreichung dieses Ziels hinarbeiten.
Kurdistan ist unser zentrales Wirkungsfeld. Die Unterstützung des Volkes, das Engagement der Jugend in den Strukturen der Komala und die gesellschaftliche Verankerung der Partei machen deutlich: unsere Basis ist Kurdistan. Wir sind eine kurdische Partei. Das Leid und die Freude des kurdischen Volkes sind auch unser eigenes. Deshalb ist die kurdische Befreiungsbewegung unser zentrales Anliegen, dem wir uns in allen Bereichen verpflichtet fühlen.
Ein Blick in die Geschichte des kurdischen Befreiungskampfes – geprägt von Besatzung, Blutvergießen, Plünderung und Zerstörung – zeigt, dass Kurdistan immer auf seine eigene Weise Widerstand geleistet hat. Bis heute wurde Kurdistan als Heimat des kurdischen Volkes nicht anerkannt. Auch wenn andere dies ignorieren, reicht ein Blick auf die Geschichte der kurdischen Republik und die Ereignisse nach dem Sturz des Schahs, um zu verstehen, dass Kurd:innen maßgeblich an der Beseitigung des alten Systems beteiligt waren – dennoch setzt sich das Leid fort.
Die Frauenfrage
Die Frauenfrage ist keine Nebenfrage, sondern eine Hauptaufgabe – gleichrangig mit der nationalen Frage – für die Aktivist:innen der Komala-Partei Kurdistans. Ohne ernsthafte Schritte in dieser Angelegenheit ist ein Erfolg für die Gesellschaft Kurdistans nicht möglich. Selbst wenn die Islamische Republik fällt und kurdische Männer an die Macht kommen, bleibt Kurdistan ohne Gleichberechtigung ein Ort der Stagnation. Wir dürfen in dieser Hinsicht keinen Rückschritt zulassen.
Die linke Position
Wie in vielen Ländern gibt es auch hier unterschiedliche linke Strömungen mit unterschiedlichen Strategien und politischen Farben. Die Komala-Partei Kurdistans hat sich mit ihrer klaren Strategie und dem Engagement für die Befreiung des kurdischen Volkes eindeutig im linken Spektrum positioniert.
Für uns muss die Linke einen humanistischen Geist – die Würde des Menschen – verkörpern und ein Gleichgewicht zwischen neuen sozialen Forderungen und traditionellen Werten wahren.
Die Klassenfrage
Die gesellschaftliche Ordnung in der heutigen Zeit wird weltweit von kapitalistischen Strukturen dominiert. Das kapitalistische System bestimmt das Leben der Menschen in fast allen Bereichen. Zwar unterscheidet sich die Erscheinungsform von Land zu Land, doch das Ziel bleibt dasselbe: Die Ausbeutung der Mehrheit zugunsten einer kleinen Minderheit.
In Ländern, in denen sich Arbeiter:innen organisieren konnten und starke Gewerkschaften aufgebaut wurden, gelang es, gewisse Rechte zu verteidigen und dem Kapitalismus in Teilbereichen entgegenzuwirken. In vielen Fällen wurden Arbeitsgesetze reformiert, Arbeiter:innen erhielten Mitspracherechte und nahmen Einfluss auf die Produktionsverhältnisse. Dennoch bleibt das ausbeuterische System bestehen.
In der Zukunft Kurdistans ist kein alternatives Herrschaftssystem absehbar. Die einzig realistische Perspektive ist die Reform des bestehenden Systems zugunsten der Arbeiter:innenklasse. Die Komala-Partei Kurdistans muss in diesem Kontext die Interessen der Werktätigen vertreten, ihre Rechte verteidigen und sich aktiv für Reformen zur Verringerung sozialer Ungleichheiten einsetzen.
		
